Stefan Kreiss auf Silverrudder

Silverrudder — challenge of the sea
Das Silverrudder ist eine jährlich zur Herbstsonnenwende stattfindende Einhandregatta.
Ein Mann (Frau geht auch), ein Boot und 134 Seemeilen rund um das dänische Eiland Fünen stehen auf dem Programm. Die guten Bedingungen und wohl auch das spannende Einhand-Format haben die Regatta in 2015 mit 330 gemeldeten Startern zur größten ihrer Art weltweit wachsen lassen.
In diesem Jahr war allerdings alles anders — anstatt der beruhigenden, gleichmäßigen Herbstwinde der vergangenen Ausgaben waren zwischen 30 und 40 kn angesagt. Muffensausen breitete sich unter den angereisten Teilnehmern aus und sorgte wohl auch dafür, dass viele spontan andere Pläne entwickelten und gar nicht erst erschienen. In der Nacht vor dem Start rüttelte der Sturm ordentlich am Rigg und verschaffte mir so klamme Gedanken und einen unruhigen und leider kurzen Nachtschlaf. Völlig ohne dies zu berücksichtigen endete die Nacht um 6:00 und wurde abgelöst von hektischen Startvorbereitungen. Gar nicht so einfach in einem Hafen, voll mit 300 Teilnehmern, rechtzeitig und gut vorbereitet an der Startlinie zu erscheinen. Vor allem wenn ein Drittel, ob des Windes, dann doch entscheidet nicht auszulaufen und den Ausgang verstopft. Recht spät und noch ohne Großsegel erreichte ich die Linie und versuchte hektisch dass Groß hochzubekommen, welches sich leider in der Kiep verklemmt hatte. Langsam meine gute Laune verlierend musste ich vom Mast aus (das Tuch war immer noch nicht oben) mitverfolgen wie mich der Autopilot langsam aufs Ufer zu steuerte. Ich schaff es noch — ich schaff es noch — ich schaffte es nicht. Es knirschte sandig und ich saß fest. Das Segel war oben! Hurra!!
Ungestüm meinen Kiel hochpumpend beobachtete ich, wie sich meine Startgruppe davon machte. Und im geschützten Svenborg Sund auch recht schnell um die nächste Biegung entschwand. Mit etwas Schlepphilfe und nun schon nicht mehr ganz so guter Laune ging es dem Feld hinterher. Als ich schon versucht war doch mehr Tuch zu setzen (Reff 1 war gesetzt), bog ich um die Ecke und vorbei war´s mit der Landabdeckung und auch mit den angenehmen 15 kn. Der Wind schnallste auf 20-30 rauf und die Logge verkündete nun mit Code0 ein Stundenmittel von 16,4kn über die kommenden 3 Stunden, was mich zunächst ans Feld ran brachte und dann auch gut in die Führungsgruppe. Speed auf Raumwind schien zu passen und die Launekurve zeigte steil nach oben. Leider haben Inseln das so an sich, dass sie irgendwann in der einen Richtung zu Ende sind und man den Kurs ändern muss um drum rum zu segeln. Also erneut um eine Ecke und nun kreuzen. Das Boot bockte heftig und ich reduzierte die Segelfläche. In der Theorie (das Boot war schließlich neu) eine klare Sache – wenn das Boot aber im Sekundentakt 2 Meter hoch und auch wieder runter bockt und die Füße den Kontakt zum Deck ständig verlieren, während man sich mit der einen Hand festhält und mit der anderen das Tuch refft, sieht man gegenüber jedem Opti-Neuling schlecht aus (blaue Flecken inklusive, wie sich später zeigen sollte). Das Stundenmittel viel auf 7,1 kn und die folgende 8-stündige Kreuz zog sich gewaltig. Die Sicht zu den meisten Konkurrenten verlierend bemerkte ich erst bei der Einfahrt in die nächste Engstelle, dass ich meinen schönen 4. Platz bei weitem eingebüßt hatte und nun in den 20ern rangierte. Wohl doch zu feige gewesen. Die anderen hatten zum Teil deutlich mehr Tuch drauf. Aber jetzt war es Nacht, es ging teils durch enge Fjorde und man sah rings um sich die Lichter der 220 gestarteten Teilnehmer gelegentlich abgewechselt von Hubschraubereinsätzen mit denen Teilnehmer von ihren nicht mehr seetüchtigen Booten abgeborgen wurden (später erfuhr ich, dass auch ein befreundeter österreichischer Teilnehmer darunter war – alles ging aber gut aus). Wie soll man da aufholen? Mein Ansatz war — schneller segeln mit mehr Segelfläche! Der Wind hatte in den Fjorden und auf der Leeseite der Insel einige Umdrehungen runter genommen und so ersetzte ich den Code0, den ich in der stockfinsteren Nacht ohnehin nicht sehen konnte – merke: schwarz ist eine doofe Farbe für Nachtregatten – mit dem weißen Gennaker mit den maximalen 85m2. Eine riskante Entscheidung, die mir zusammen mit einem sehr radikalen Kurs, 7 Kaffee und 4 Red-Bull eine unruhige Nacht, Magenschmerzen und den 12 Platz in meiner Gruppe einbrachte. Als der Morgen herauf zog, verzog sich der Wind und so hungerte das nun klar sortierte Starterfeld noch einige Stunden bis ins Ziel nach Svendborg ohne, dass sich die Platzierungen noch großartig änderten. An den hakeligen Anlegemanövern konnte man den matten geistigen und körperlichen Zustand der Steuerleute ablesen, die sich meist auch nicht mehr lange auf den Beinen halten konnten. So legte auch ich mich ein Stündchen hin und erschrak furchtbar als ich erst um acht Uhr wieder aufwachte, sollte doch um acht die große Silverrudder-Gala mit Preisverleihung starten. Erst nach hektischem anziehen und „hübsch“ machen, ging mir auf das es wohl bereits acht Uhr morgens sein musste und ich die Show verpasst hatte. Das sind die Folgen wenn man 25 Stunden am Stück in harten Bedingungen alleine Regatta segelt. Es war hart, es war entbehrungsreich und natürlich sind im nächsten Jahr alle wieder dabei!

 

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